Der Ehrenfriedhof - Eine europäische und internationale Ruhestätte des 1. und 2. Weltkriegs


An der Straße Am Gievenbach etwas außerhalb von Münsters Innenstadt liegt etwas versteckt zwischen einem Wäldchen und einer kleinen Landstraße eine Kriegsgräberstätte. Das schmiedeeiserne Tor mit der Inschrift „Requiescant in Pace“ (Sie mögen ruhen in Frieden) lässt erkennen, was sich dahinter verbirgt.
"Requiescant in Pace" - so lautet die Inschrift des Eingangstors
zum Ehrenfriedhof.
Mit einem beherzten Griff geöffnet und von altertümlichen, quietschenden Geräuschen empfangen, kann der Besucher dahinter an die 800 Grabsteine entdecken. Vom Eingang aus führt ein kleiner Weg zu einem Ehrenmal am Ende des Friedhofs, rechts und links des Weges liegen die Gräber von Soldaten verschiedener Nationen.
Dieser Ehrenfriedhof wurde im Ersten Weltkrieg überwiegend von französischen Gefangenen für die Verstorbenen des Gefangenenlagers Haus Spital angelegt. Im Laufe der Kriegsjahre sind etwa 50.000 Gefangene hierher gebracht worden und so wurde Haus Spital zum größten Gefangenenlager in Nordwestdeutschland. Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs kamen neben russischen auch belgische, englische, französische, italienische und serbische Kriegsgefangene in das Lager. Letztendlich fanden 816 Soldaten auf dem Ehrenfriedhof ihre letzte Ruhe. Die Friedhofsanlage wurde vom französischen Architekt Auguste Duthoi aus Lille, der selbst 52 Monate im Lager verbrachte, gestaltet. Das schmiedeeiserne Eingangstor wurde 1926 ebenfalls von einem Franzosen, nämlich dem Bildhauer V. Broucke, entworfen.
thumbnail_47-Kriegschronik1918-Kriegsgefangene-04069-06
Foto des Papstbesuches aus dem Jahre 1918. Quelle: Stadt-
archiv Münster.
Die verschiedenen Nationalitäten der Verstorbenen lassen sich an den Namen und an der Gestaltung der steinernen Grabstelen erkennen, die neben dem russisch-orthodoxen Kreuz, römisch-katholische Kreuze, den Davidstern oder einen Halbmond mit Stern zeigen. Einige Gräber fallen durch ihre Form und Größe auf, sie weisen auf Ruhestätten von höheren Dienstgraden hin. Hat man als Besucher die vielen Reihen der Gräber an sich vorbeiziehen lassen, endet der Weg an einem durch einen Steinsockel gebildeten Ehrenmal. Über dem Sockel erhebt sich ein Obelisk, auf dessen Spitze ein kleines, mit einem Ehrenkranz versehendes Kreuz aufgesetzt wurde. Drei am Fuße des Obelisken angebrachte Wappen, zu dem das englische Königswappen, das Wappen des russischen Zarenreiches und das belgische Königswappen und der gallische Hahn gehören, verkörpern symbolisch die schicksalhaft im Lager zusammengeführten Nationen. Eine Besonderheit ist das Grab des indischen Kriegstoten Ranjka Khan, der 1917 auf dem Friedhof bestattet wurde.
thumbnail_47-Kriegschronik1914-Kriegsgefangen03754-6
Historische Aufnahme des Kriegsgefangenenlagers Haus Spital.
Quelle: Stadt
archiv Münster.
Die Betreuung des Friedhofs lag bis 1945 bei der Verwaltung der Wehrmacht, danach übernahm das Gut Spital freiwillig die Pflege, seit 1975 liegt die Obhut für den im Volksmund sogenannten „Russenfriedhof“ bei der Stadt Münster. Noch heute ziehen die Messdiener der katholischen Pfarrgemeinde St. Sebastian aus dem Stadtteil Nienberge jedes Jahr nach einer ökumenischen Andacht am Abend des 1. November (Allerheiligen) vom Dorffriedhof zur ca. zwei Kilometer entfernten Kriegsgräberstätte, um dort eine Besinnungs- und Gebetsandacht für die Gefangenen und Verstorbenen der Weltkriege zu halten. Diese Tradition pflegt die Pfarrgemeinde seit 1953 und inspirierte dadurch die russische Partnerstadt Münsters dieses Ritual ebenfalls in ihrer Heimat, der Stadt Rjasan, abzuhalten.

Im Video finden Sie weitere Bilder:

Weiterführende Links:
Der Ehrenfriedhof auf der Seite der Stadt Münster
Ein Artikel in der WN "Ehrenfriedhof Haus Spital - Neue Bronze-Platten für Grabsteine"

Autorin: Malina Brinkmann

Kommentare

  1. Münster musste im ersten Weltkrieg über 90.000 Kriegsgefangene aufnehmen, ohne darauf vorbereitet zu sein. Es traten große Probleme bei der Verpflegung und Unterbringung der Menschen auf. Deswegen wurde das Gefangenenlager Haus Spital mit einer Kapazität von 7.500 Mann eingerichtet, allerdings unter sehr widrigen Bedingungen. Durch den Waffenstillstand 1918 konnten die Gefangenen zurück in ihre Heimatländer. Die Verstorbenen fanden ihre letzte Ruhe auf dem Ehrenfriedhof.
    Dank an das Stadtarchiv Münster für Text- und Bildmaterial.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen