Denkmal Julius Otto Grimm - „Dem teuren innigstgeliebten Freunde…“*


Wer Münsters Altstadt in Richtung Norden verlässt, dem fallen sicher der mächtige Buddenturm oder die „Zuckervilla“ mit dem eindrucksvollen Eckturm an der Kreuzschanze auf. Deutlich unscheinbarer und fast genau dazwischen gelegen, steht an der Promenade, umgeben von Bäumen und Sträuchern, eine ganz aus weißem Marmor gefertigte, überlebensgroße Büste des Dirigenten und Komponisten Julius Otto Grimm.
Grimm-Büste an der Kreuzschanze.
Nur wenige Meter von Grimms ehemaligem Wohnhaus (neben der „Zuckervilla“) entfernt, wurde unmittelbar nach seinem Tod im Jahre 1905 das Denkmal vom Münsteraner Bildhauer Anton Rüller geschaffen, aufgestellt und mit einer Signatur versehen. Grimm, als greiser Mann dargestellt, ist gekleidet mit einer Art Mantel. Die sehr hohe „Denkerstirn“ soll seine Genialität unterstreichen. Der Kopf wird von langen weißen Locken und einem dichtem Vollbart umrahmt. Die Augen scheinen auf einen Gegenstand gerichtet zu sein, wirken gar etwas verschüchtert oder erschrocken und die Augenbrauen sind leicht hochgezogen.
Grimm hat damit gleichsam die Kompendien der Musikgeschichte geöffnet und zu tönendem Leben erweckt.“*1
Grimms Analyse eines Klavierauszuges des 
belgischen Komponisten Tinel (bereitgestellt 
vom Brahms-Institut der Musikhochschule 
Lübeck, Signatur: Joa : C2 : 34).
Der 1827 in Pärnu im heutigen Estland geborene Julius Otto Grimm stand seinem Zeitgenossen, dem weltbekannten Komponisten Johannes Brahms, zwar wenig nachdoch musste er aus finanziellen Gründen den größten Teil seiner Zeit unterrichten, was ihn bis wenige Jahre bis zu seinem Tode 1903 einschränkte und nur wenig Zeit zum Komponieren ließ.
Die längste Zeit seines Lebens verbrachte er so in Münster, wo er über 40 Jahre u.a. als Professor an der Universität Münster, als Chorleiter des Musikvereins und vielem weiteren mit größtem Herzblut tätig war. Vor allem seine Freundschaft zu namenhaften Künstlern wie Johannes Brahms, Clara und Robert Schumann und dem österreich-ungarischen Violinisten Joseph Joachim machte Grimm auch über Deutschlands Grenzen europaweit bekannt. Deutschland war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein bedeutendes kulturelles Zentrum für Musik in Europa, weshalb Grimm zwar nur wenig im Ausland tätig war. Aber seine Werke fanden in den Nachbarländern höchste Anerkennung. Beispielsweise wurde Grimms Komposition „Seele und Ton“ in Amsterdam, Arnheim und Prag erfolgreich aufgeführt.
Alltag an der Kreuzschanze und Promenade.
Welche große Bedeutung Grimm international hatte lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass er 1863 Mitglied der „Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst“ (ndl.: Maat- schappij tot Bevordering der Toonkunst) in Rotterdam wurde. Grimm war Teil des Grenzen überschreitenden Musikernetzwerkes der Romantik und Spätromantik und hatte in Münster zahlreiche internationale Musiker wie beispielsweise die belgische Sopranistin Antonie Kufferath, zu Gast. Die Marmor-Büste ist damit ein Zeugnis für die grenzüberschreitende Bedeutung der Musik und erinnert an ein gemeinsames europäisches Kulturerbe. Deshalb ist es besonders schön, dass im Herbst 2018 in Münster zu Ehren Grimms ein Konzert unter der Leitung des weltweit agierenden Dirigenten Golo Berg geplant ist.

* So die Anrede des letzten Briefes von Johannes Brahms an Julius Otto Grimm am 6. März 1897. In: Johannes Brahms im Briefwechsel mit J. O. Grimm. Hg. v. Richard Barth. Band IV. Tutzning 1974. 158.
*1 Franz Ludwig: Julius Otto Grimm. Ein Beitrag zur Geschichte der musikalischen Spätromantik. Bielefeld-Leipzig 1925, 103.

Im Video finden Sie weitere Bilder und In-
formationen zu Grimm - untermalt ist das
Ganze mit einer Komposition von Grimm:

Weiterführende Links:
Seite der ULB Münster zur Sammlung Grimms
Profil von Grimm auf der Seite des Kulturportals Ost West
Überblick zu Kompostionen von Grimm
Internetpräsenz des Konzertchors Münster
Internetpräsenz des Brahms-Instituts in Lübeck

Autor: Martin Tews

Kommentare

  1. Der gute Grimm! Kaum einer kennt ihn. Ich habe viele Passanten zu dem Denkmal befragt. Viele vermuteten bei dem Namen Grimm, dass es sich hier wohl nur um einen der beiden Märchen-Grimms handeln würde. Nur wenige wussten, wer dieser Grimm an der Kreuzschanze wirklich war - nämlich ein genialer Musiker und Dirigent des 19. Jahrhunderts.

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  2. ... und Julius Otto Grimm ist "europäischer" als man denkt: Er studierte an der - damals - deutsch-russischen Universität Dorpat (seit 1918 Tartu) und arbeitete anschließend zunächst als Hauslehrer in Sankt Petersburg, damals die Hauptstadt des russischen Kaiserreiches.

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  3. Auch die Grimmstraße, wenige Steinwürfe entfernt und 1916 benannt, bezieht sich auf J.O.G., der offensichtlich das Lebensgefühl eines nicht unwichtigen Teils der damaligen Stadtbevölkerung genau getroffen hat.

    Das Konzept und seine Realisierung eröffnen interessante zusätzliche Blickwinkel - bedankt!

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  4. Klasse, vielen Dank für diesen Artikel im Speziellen und für dieses Blog im Allgemeinen. Ich verlinke gerne darauf! Viel Spaß und Erfolg weiterhin - Martje Saljé

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