Auf den Spuren französischer Stadtpalais – der Beverfoerder Hof an der Königsstraße


Der Beverfoerder Hof liegt mitten im Zentrum von Münster in der Königsstraße. Tagtäglich gehen Tausende von Menschen an dem noch erhaltenen Nordflügel des Gebäudes einfach vorbei. Geschuldet ist dies wohl ihrer Konzentration auf andere Dinge und vielleicht auch, weil es so wenige Hinweise gibt, die noch auf die Bedeutung des Ortes hinweisen.
Der ehemalige Beverfoerder Hof (rechts) mit den neu ange-
schlossenen Gebäudeteilen.
Der Hof wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, sodass nur der Nordflügel erhalten blieb. Die anderen Gebäudeteile sind danach wieder aufgebaut worden, unterscheiden sich aber deutlich von dem noch erhaltenen Nordflügel des Hofes. Die neu angeschlossenen Gebäudeteile werden u.a. von dem Institut für vergleichende Städtegeschichte der WWU Münster genutzt. Im Nordflügel befinden sich neben Einzelhandelsgeschäften auch die Außenwirtschaftsakademie. Der Filialleiter einer der Geschäfte berichtete mir, dass das Interesse am ehemaligen Beverfoerder Hof nachwievor vorhanden sei und es „immer mal wieder“ vorkommt, dass ihn Interessierte auf den Hof ansprechen.
   Modellansicht des Beverfoerder Hofs, zu sehen im Stadt-
   museum Münster, Kabinett 13. Foto: Stadtmuseum Mün-
   ster. Das Modell zeigt den ursprünglichen Zustand des Ho-
   fes in Anlehnung an die Pariser Stadtpalais.
Der Hof wurde von dem westfälischen Architekten Gottfried Laurenz Pictorius (1663-1729) konzipiert. Mit seiner stattlichen Dreiflügelanlage holte er ein typisches Pariser Stadtpalais (Hôtel) nach Münster. Charakteristisch für ein solches sind: der Corps de logis (ein dreigeschossiger Hauptbau), und zwei Seitenflügel, die zusammen einen Ehrenhof (Cour d’honneur) bilden. Der Ehrenhof war meist durch ein Eisengitter und eine flache Mauer von der anliegenden Straße getrennt. Auch Bau- und Schmuckformen – wie die Kolossalpilaster und Fenster - folgten dem französischen Vorbild und waren axialsymmetrisch ausgerichtet. Wohn- und Repräsentationsräume befanden sich im Beverfoerder Hof wie bei den französischen Stadtpalais im Obergeschoss. Die Gesamtanlage orientierte sich an französischen Vorbildern, die Pictorius als Infanterieoffizier bei Feldzügen in Frankreich kennenlernen konnte oder aus gedruckten Architekturtraktaten wie dem "Cours d‘Architecture" von Augustin-Charles d‘Aviler übernommen hat.
Der noch erhaltene Nordflügel des ursprünglichen Hofes.
Die Grundform des Stadtpalais wurde beim Wiederaufbau der zerstörten Gebäudeteile grundlegend beibehalten. Es gibt weiterhin zwei Seitenflügel und einen Hauptbau, der aber nicht mehr dreigeschossig ist und keine barocken Schmuckformen hat.  Die Gesamtanlage und der gerettete Nordflügel aber zeigen noch wie im westfälischen Barock französische Vorbilder aufgenommen und weiter entwickelt worden sind. Über die Grenzen hinweg ist hier das verbindende, gemeinsame baukünstlerische Erbe Europas erkennbar.

Im Video finden Sie weitere Bilder:
Weiterführende Links:
Der Beverfoerder Hof auf der Internetpräsenz des Stadtmuseums Münster
Internetpräsenz des Stadtmuseums Münster

Autorin: Jana Tempelmeier

Kommentare

  1. Ich bin über fünf Jahre fast jeden Tag hier vorbei gelaufen, ohne zu bemerken, was für eine Geschichte hinter dem Gebäude steckt und, dass da ein Stück Frankreich mitten in Münster steht.
    Autorin des Artikels: Jana Tempelmeier

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