Englische Neugotik im Gefängnis - Die Justizvollzugsanstalt an der Gartenstraße


Das Gefängnis an der Gartenstraße in Münster wurde von dem preußischen Architekten Carl Friedrich Busse entworfen und 1844-54 im Stil der englischen Neugotik erbaut. Busse war ein Mitarbeiter Karl Friedrich Schinkels und wie dieser nach England gereist, um moderne britische Bauten zu studieren.
Blick auf das Haupttor aus süd-westlicher Richtung.
Denn in Amerika und England wurde ein neuartiger Gefängnisgrundriss als Weiterentwicklung des Panoptikons konstruiert. In diesem Grundriss wurden die einzelnen Zellenflügel strahlenförmig radial um eine großen Zentralhalle angeordnet, von der aus die Gefängnisaufsicht jederzeit alle Zellentüren im Blick hatte. Die Gefangenen sollten durch das Gefühl der ständigen Überwachung zu gutem Benehmen angehalten werden. Noch wichtiger war eine strikte räumliche Trennung, also die Isolierung der Gefangenen in Einzelzellen, um kriminellen Austausch zu verhindern. Besonderes Augenmerk wurde auf den Kirchraum gerichtet, denn die religiöse Beeinflussung sollte den Gefangenen zu gesetzestreuem Verhalten bringen. Wie seine Vorbilder aus England soll das Gebäude mit seinen Zinnen und Türmchen einen festungsartigen, abschreckenden Charakter widerspiegeln.
Detailaufnahme der Zinnen und Türmchen. Aus west-
licher Richtung betrachtet.
Als Baustoffe wurden Beton, Backstein und Eisen verwendet. Sie sollten nicht nur ausbruchsicher, sondern vor allem feuerfest sein. Einheitlich sind Mauern und Gebäude in rotem Klinker ausgeführt.
In der NS-Zeit wurde im münsteraner Gefängnis eine kriminalbiologische Forschungsstelle eingerichtet, in der Gefangene untersucht und sogenannte kranke, angeblich lebensuntüchtige und andere Menschen zwangssterilisiert wurden. Polnische Gefangene, sogenannte Landesverräter und Juden wurden grundsätzlich nicht frei gelassen, sondern kamen auf unbestimmte Zeit gefangen gehalten und in Straf- oder Konzentrationslager gebracht. Bei einem Bombenangriff 1944 sind ein Zellentrakt und die Kirche zerstört worden.
Heute erinnert in der Kirche der JVA wenig an den einst verpflichtenden, streng katholischen Gottesdienst. Durch die Migrationshintergründe vieler Häftlinge werden verschiedene religiöse Rituale in den Räumlichkeiten gefeiert.
Blick auf zwei der fünf strahlenförmig um die Haupthalle angelegten
Flügel aus Ostrichtung betrachtet. Foto: Ansgar Dlugos
Überregional gesehen ist das Gefängnis in Münster heute ein wichtiges Zeitzeugnis, denn es ist das älteste noch erhaltene Gefängnis preußischer Zeit überhaupt. Das ursprüngliche Architektursystem, das den Bau einst als eines der ersten modernen Gefängnisgebäude Europas auszeichnet, ist erhalten. Englische Einflüsse sind sowohl in der Grundrissform wie auch in der Verwendung von neugotischen Schmuckformen erkennbar. In diesem Sinne ist der Gefängnisbau von Münster ein anschauliches Beispiel für den grenzüberschreitenden Austausch von Architekturvorstellungen.

Autorin: Katharina Kruck

Kommentare